Was ist Minimalismus? Und wie startet man damit?


 

Ich werde hier in den nächsten Wochen und Monaten alles zum Thema Minimalismus zusammentragen, was meine bisherigen Erfahrungen, Fehler und Erkenntnisse sind. Der Artikel wird dann fortlaufend aktualisiert.

Was ist Minimalismus?

Neben der Kunstrichtung hat sich in den letzten Jahren Minimalismus auch als Lebenshaltung entwickelt. Selbst auf Netflix gab es eine Dokumentation zu dem Thema, mit den Autoren Joshua Fields Millburn und Ryan Nicodemus als Erzähler. Auf Prime Video gab es die Doku “My Stuff – Was brauchst Du wirklich”, in der der Protagonist alles in ein Lagerhaus brachte und sich jeden Tag eine Sache herausholen durfte. Dass er am Anfang nackt durch die Stadt im Schnee zu dem Lagerhaus laufen musste, sollte nicht als repräsentativ für die Minimalismus-Bewegung interpretiert werden. Und selbst im deutschen Fernsehen wurde ein Bericht produziert, vom NDR, “Wie viele Dinge brauchen wir wirklich?“

In Deutschland sind vor allem die Minimalisten Christof Herrmann und Verena Schürmann bekannt, neben einigen anderen. Je nachdem, von wem man was liest, sieht man zum Teil sehr alternative Lebensentwürfe, aber eben auch Menschen, die ein relativ normales Leben haben, dennoch mit wenigen Dingen leben wollen. Ich zähle mich zu der letzten Gruppe. Natürlich gab es schon immer Menschen, die minimalistisch gelebt hatten, nicht immer, weil sie es auch wollten, und sicherlich hätten sie es selbst auch nicht so bezeichnet. Die ganz bewusste Reduktion auf wenig Materielles allerdings, scheint eher ein Motiv der letzten Jahrzehnte zu sein. Einer der Pioniere, auch wenn er es selbst wahrscheinlich nicht so sieht, ist Dieter Rams mit seinem Design-Credo “Weniger, aber besser”.

Für mich bedeutet Minimalismus zum einen, dass ich nur das kaufe, was ich auch wirklich benötige, wobei das mit dem Bedürfnissen und Wünschen kein klarer Übergang ist und mich darauf konzentriere, was mein Leben wirklich erfüllt, und das sind nunmal eben keine Dinge. Zum andern bedeutet Minimalismus für mich, dass ich mich nur mit den Dingen umgebe, die mich glücklich machen oder/und einen hohen Nutzwert haben. Natürlich bin ich nicht perfekt und auch nicht überall konsequent. Ich schreibe diese Zeilen zum Beispiel auf einem Apple MacBook Air M1 mit 16 GB RAM und 2TB SDD-Platte. Ist das wirklich absolut notwendig? Sicherlich nicht. Ich könnte diese Zeilen auch auf einem alten gebrauchten Linux-Rechner schreiben. Ich könnte mich auch fragen, ob dieser Blog überhaupt notwendig ist. Aber ich habe meine Gadget-Sammlung in den letzten Monaten noch mal stark reduziert. Seit 2007 habe ich immer wieder stärkere und schwächere Phasen des Minimalismus durchlebt, damals hatte ich mal 6 Monaten versucht nichts neues zu kaufen. Aber ich war eben auch nicht immer stark.

Welche Vorteile hat Minimalismus?

Davon gibt es einige, und hier sind die wahrscheinlich wichtigsten Vorteile:

  • Je weniger man hat, desto weniger muss man aufräumen. Man benötigt weniger Zeit fürs Aufräumen oder für das Suchen nach Dingen.
  • Wenn man weniger hat, dann sieht es auch gleich ordentlicher aus. Das beruhigt ungemein.
  • Je weniger man hat, desto weniger muss man sich darum kümmern. Alle Dinge haben Nebenkosten, sei es nur der Platz, den etwas benöigt, oder eben auch die Zeit, die etwas erfordert.
  • Man erspart seiner Familie jede Menge Zeit, denn wenn einem etwas zustößt und die Familie die Bude ausräumen muss, dann wird jeder dankbar sein, wenn da nicht zigtausende Dinge in der Wohnung sind.
  • Man schont die Umwelt. Denn alles, was nicht gekauft wird, muss auch nicht produziert werden und verbraucht auch keine Rohstoffe. Und später wird es nicht weggeworfen und müllt nicht die Umwelt zu. Wenn das mal kein Argument ist!
  • Man spart jede Menge Geld. Häufig sind die Dinge sowieso nicht so viel wert, wie wir dafür zahlen, was wir dann merken, wenn wir sie wieder loswerden wollen.
  • Loswerden wollen ist sowieso ein Thema, denn oft ist das mit einem Aufwand verbunden. Den hat man nicht, wenn man erst gar nix kauft 🙂 In den letzten Monaten habe ich einiges auf eBay/eBay Kleinanzeigen verkauft, und ganz abgesehen davon, dass ich in den meisten Fällen viel weniger für die Sachen bekommen als ich für sie ausgegeben habe, war es einfach häufig auch sehr nervig. Auch wenn ich viele nette Leute kennenlernen durfte.
  • Man benötigt weniger Platz und eventuell auch weniger Möbel und dann auch eine kleinere Wohnung.

Mein “Kleiderschrank” ist ein gutes Beispiel dafür, wie wenig man wirklich braucht. Und es gibt sicherlich Menschen, die noch weniger haben.

Welche Nachteile hat Minimalismus?

Minimalistisch zu leben ist genau so wenig gesellschaftskonform wie zum Beispiel keinen Alkohol zu trinken.

Als ich 2011 mein Auto verkauft hatte, meinten Bekannte und Freunde, dass ich damit auch meine Freiheit verkaufen würde. Tatsächlich habe ich dadurch Freiheit gewonnen, denn wie in Fight Club gesagt, die Dinge, die Du besitzt, besitzen eigentlich Dich. Ein Auto braucht Wartung, einen Parkplatz, Wäschen, etc. Ok, ich hab einen Vorteil, ich wohne in der Stadt. Aber auch bei jedem anderen Beispiel, vielleicht ein Fernseher, den man nicht hat, kommen Fragen auf. Viele Menschen werden das nicht verstehen, vielleicht auch, weil sie dann sich selbst und ihr Verhalten in Frage stellen müssten. Ich kann auf jeden Fall sagen, dass es immer wieder ein Gesprächsthema ist, genau so, wenn ich bei einem Business Dinner keinen Alkohol trinke. Man gerät leicht in den Verdacht, ein trockener Alkoholiker zu sein.

Was ist der Unterschied zu Frugalismus?

Beim Frugalismus geht es darum, dass man lernt mit wenig Geld klar zu kommen und so viel zu sparen, dass man weniger und irgendwann gar nicht mehr arbeiten muss. Offensichtlich gibt es hier Überschneidungen, aber nicht jeder Minimalist gehört unbedingt der FIRE-Bewegung (Financial Indepence, Retire Early) an. Umgekehrt wird aber jeder Frugalist minimalistisch leben müssen, um seine Ziele erreichen zu können.

Ich lebe irgendwo dazwischen, aus dem Müll habe ich noch kein Essen geholt, und ich rechne mir auch nicht ständig aus, wie viel Zinsen es mich mit 50 kosten wird, wenn ich jetzt ein Brötchen kaufe. Aber ich kaufe auch nicht mehr sinnlo sein, siehe den nächsten Abschnitt.

Wie startet man mit Minimalismus?

Meiner Meinung nach gibt es zwei Arbeitspakete:

  • Das eigene Heim zu leeren
  • Das eigene Konsumverhalten zu ändern

Für den ersten Punkt gibt es viel Literatur, zum Beispiel die Marie Kondo-Bücher. Bei Kondo geht es vor allem um die Frage, was einen wirklich glücklich macht an den Dingen, die in der Wohnung sind. Zusätzlich hat sie halt ihre eigene Aufräumtechnik. Einiges davon verwende ich auch, zum Beispiel wie man T-Shirts faltet. Das macht tatsächlich einiges einfacher. Aber ich würde Marie Kondo nicht als Minimalistin bezeichnen. Eine gute Frage, die man sich beim Ausmisten stellen kann, ist, ob man den jeweiligen Gegenstand noch einmal kaufen würde. Eine andere Frage, die man sich oft stellt, ist, wohin mit etwas, das vielleicht jahrelang nicht genutzt wurde. Häufig verschiebt man die Entscheidung, so dass die Dinge nicht wegkommen, aber auch keinen wirklichen Platz haben. In Wirklichkeit sind es nämlich nicht unbedingt die Dinge, die einen belasten, sondern die Entscheidungen, die wir treffen müssten, wenn es darum geht, was mit den Dingen geschieht. Entscheidungen zu treffen ist anstrengend.

Weitere Tipps:

  • Alles verkaufen/spenden, was man 1 Jahr nicht benutzt oder getragen hat
  • Alles verkaufen/spenden, was kaputt ist und was man nicht reparieren kann
  • Benötigt man wirklich 3 Dosenöffner? Die Küchenmaschine, die teuer war, aber die man nie benutzt?
  • Bücher weggeben, die man nicht liebt
  • Öffentliche Bibliotheken nutzen

Wenn das schon schwer klingt, es wird noch schwieriger, wenn es um den zweiten Punkt geht. Denn unser Konsumverhalten ist das größte Problem. Wenn wir das nicht in den Griff bekommen, dann ist unser Heim schnell wieder voller Krempel. Es wird uns aber auch nicht einfacht gemacht zu widerstehen. Und bei manchen Themen habe ich meine größte Schwächen. Zum Beispiel: Wenn ich ein neues Gadget sehe, wovon ich denke, dass es mir vielleicht helfen könnte, dann bin ich in der Regel schnell bei Amazon und… mache mittlerweile spätestens dann den Browser zu. Früher war ich ständig auf der Suche nach dem nächsten Tool, was mir helfen könnte. Mittlerweile glaube ich nicht mehr an Tools. Bei jedem Impuls, etwas zu kaufen, sollte man diesen Wunsch erst einmal in Quarantäne setzen. Ist der Wunsch nach 1 Tag, 7 Tagen oder 30 Tagen immer noch da? Beispiel: Als die Apple Airpods Max rauskamen, hatte ich sie mir bestellt. Ich hatte sehnsüchtig auf sie gewartet. Und dann hatte ich sie kaum genutzt. Ich dachte, ich würde sie ständig nutzen, aber anders als die Airpods Pro, die ich wirklich seit über einem Jahr wirklich täglich benutze, waren die Max häufig leer. Ich brauche keine zwei Paar Kopfhörer. Das war totaler Mist, auf die Werbung reinzufallen. Und nach einem halben Jahr hatte ich einen Verlust von 200 Euro gemacht, als ich sie verkauft hatte. Für vielleicht 20 Mal nutzen. Macht 10 Euro pro Nutzung. Ein teurer Spaß. Und sicherlich hat jeder von uns solche Beispiele.

Wann macht man es richtig?

Darauf gibt es keine allgemeingültige Antwort. Die Frage kannst Du nur für Dich selbst beantworten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert